In der Bereichsorganisation spielt die Musik!

Organisations-Controlling verstehen und richtig anwenden.

Organisations-Controlling führt seit vielen Jahren ein Schattendasein im Organisationsmanagement. Und das zu Recht. Die Gründe sind vielfältig. Einerseits lassen sich (re)organisatorische Maßnahmen, die auf die Restrukturierung der Aufbauorganisation abzielen, kaum in monetären Größen messen. Was man quantitativ nicht messen kann, kann man auch nicht steuern. Dieses Totschlagargument zieht fast immer. Das ist aber auch ein alter Hut. Anderseits surfen momentan die meisten Organisatoren auf der Prozessmanagement-Welle. Begriffe und Kennzahlen wie Durchlaufzeiten, Prozesskosten, Prozessvariantenzahlen oder work in process sind auf den ersten Blick greifbarer und ergebnisorientierter als aufbauorganisatorische Effizienzkriterien. In der Tat, versucht man auf einer aggregierten Ebene wie auf der des Organigramms organisatorische Entscheidungen abzuleiten und zu rechtfertigen, dann bleibt es bei Pauschalurteilen und schwammigen Tendenzeinschätzungen (ein Prozessmanager misst ja auch nicht auf der Ebene des Unternehmensprozessmodells die Durchlaufzeit für alle Prozesse). Soll nun alles dezentralisiert in marktnahen Divisionen organisiert werden, weil man sich kundenorientierter aufstellen will oder zentralisiert man alle Querschnittsfunktionen, weil Ressourcen eingespart werden sollen? Ein Organisator der auf diese Fragen geschlossen mit JA oder NEIN antwortet, ist keiner! So hart das auch klingen mag.

Was sich hinter dem Organigramm versteckt! Der Blick hinter die Kulissen!

„Das funktioniert so bei uns nicht! Das geht nicht! Da mach ich nicht mit“, es gibt keinen Organisator, dem das noch nicht von einem Bereichs- oder Abteilungsleiter vorgehalten wurde. Um Reorganisation bzw. Restrukturierungen ziel- und ergebnisorientiert gestalten zu können, braucht es mehr, als das Wissen um die Vor- und Nachteile funktionaler oder divisionaler Ein- und Mehrliniensysteme. Wer haltbare Argumente für die eine oder andere Entscheidung liefern will, muss tiefer in die Unternehmensorganisation eintauchen und hinter die Kulissen blicken, nämlich in die betroffenen (Fach)Bereiche selbst (werfen Sie hierzu auch einen Blick in meinen Beitrag „Organisations-Sparring“).

Die goldene Regel des Organisators: „Es kommt darauf an!“

Von der Unternehmensstrategie und dem Geschäftsmodell, über die Unternehmensziele zu den Bereichszielen zur richtigen Organisationsstruktur. Wer diesen steinigen Weg geht, der wird am Ende auch ankommen.

Zeit für ein Beispiel: Nehmen wir einmal an, ein Unternehmen hat sich folgende Ziele gesetzt:

1. Wir wollen unsere Ressourcen effizienter einsetzen

2. Wir wollen den Umsatz bis 2015 um X% steigern

3. Wir wollen die zufriedenen Kunden zu begeisterten Kunden machen

Unternehmensziele wie man sie des Öfteren in Strategiepapieren zu Gesicht bekommt.

Für einen Produktionsbereich fällt die Interpretation dieser Ziele u.U. jedoch ganz anders aus als für einen Vertriebsbereich. Für marktnahe Bereiche sind Kunden- und Wettbewerbsorientierung wichtiger als für marktferne Bereiche, wo Standardisierung und der effiziente Einsatz von Sachmitteln höher gewichtet wird. Die Unternehmensziele erfahren daher auf der Ebene der Bereichsorganisation ihre jeweilige Auslegung:

Produktion mit Fokus auf Ziel 1: „Effizienter Ressourceneinsatz“:

  • Standardisierung erhöhen (Anzahl Produktvarianten)
  • Verringerung der Chargenwechsel (Anzahl  pro Zeiteinheit) / Verringerung der Rüstzeiten (Stunden bzw. Minuten pro Chargenwechel)
  • Produktivität steigern / Prozessrückstände verringern (pro Zeiteinheit bzw. Anzahl Aufträge)
  • Auslastung (Sachmittel/Personal) erhöhen (Maschinenzeiten, Verteilzeiten, Stillstandzeiten)

Vertrieb mit Fokus auf Zielen 2, 3: „Umsatzsteigerung und Erhöhung der Kundenzufriedenheit“:

  • Kundenbindung erhöhen (Wiederbestell-/kaufrate, Net Promotor Score NPS)
  • Beratungsflexibilität steigern (Kundenfeedback mittels Skalenbewertung)
  • Neukunden akquirieren (Anzahl Neukunden pro Zeiteinheit)
  • Mehr Zeit für Kundenberatung / Mehr „Netto-Marktzeit“ (Akquise-/Kundentage pro Woche/Monat/Quartal)

Wie kann nun die Gestaltung der Aufbauorganisation dazu beitragen, diese Bereichsziele zu fördern? Um Produkte und Dienstleistungen entwickeln, produzieren und verkaufen zu können müssen Prozesse arbeitsteilig und abteilungsübergreifend organisiert werden. Dadurch entstehen zwangsläufig Schnittstellen, die koordiniert werden müssen, um z.B. unnötige Doppelarbeiten, Rückkopplungen, Warte-/Liegezeiten, Informationsverluste, sog. Autonomiekosten vermeiden zu können. Diese Koordination erfolgt jedoch ebenfalls nicht kostenlos, es entstehen sog. Abstimmungskosten (z.B. durch regelmäßige Abstimmungsrunden/Jour Fix, Einsatz von Prozessverantwortlichen, Organisatoren, Software/ERP-Systemen etc.). Der optimale Organisationsgrad ist dann erreicht, wenn das Verhältnis aus Autonomie- und Abstimmungskosten sein Minimum erreicht – lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag:  „Wie viel Organisation braucht Ihr Unternehmen?“.

Ausgewählte Effizienzfelder aus dem Organisations-Controlling liefern hierzu die notwendige Argumentationshilfe.  Die Effizienzfelder Führungseffizienz, Ressourceneffizienz, Geschäftsprozesseffizienz und Humankapitaléffizienz sollen an dieser Stelle näher beleuchtet werden:

Führungseffizienz sichert eine rasche, kostengünstige und gut fundierte Planung, Steuerung, Kontrolle und Koordination. Es geht um die optimale Verteilung der Entscheidungsaufgaben.

Ressourceneffizienz erlaubt eine möglichst günstige Ausschöpfung der finanziellen und materiellen Ressourcen und Kapazitäten. Es geht um die optimale Bündelung und/oder Verteilung der Mittel.

Geschäftsprozesseffizienz bewirkt eine rasche, spezialisierte, hochwertige Aufgabenerfüllung in allen Geschäftsprozessen. Es geht um die optimale Ausrichtung und Koordination der Aufgabenverteilung und entsprechender Interdependenzen.

Humankapitaleffizienz fördert die Qualifikation und Motivation des Managements und der Mitarbeiter und schöpft diese aus. Es geht um den optimalen Einsatz und die Nutzung des Humankapitals.

Der jeweils optimale Organisationsgrad pro Effizienzfeld pendelt somit zwischen Autonomie- und Abstimmung (untere Abbildung). Anhand der Schieberegler wird deutlich, dass es nicht den einen optimalen Effizienzgrad geben kann. Vielmehr ist die Positionierung der Schieberegler abhängig von den Zielen und deren Gewichtung innerhalb des jeweiligen Bereichs.

Der Effizienz-Equalizer unterstützt die Entscheidungsfindung
Der Effizienz-Equalizer unterstützt die Entscheidungsfindung

Diese erste Tendenzeinschätzung sollte nicht durch Einzelpersonen im stillen Kämmerlein erfolgen, sondern unter Beteiligung ausgewählter und ausgewiesener Kollegen und Kolleginnen aus den relevanten Bereichen. Der Organisator übernimmt in diesem Falle die Moderationsfunktion. Dabei sind die erste und ehrliche Beurteilung der Bereichsziele und deren Übertragung auf die Effizienzfelder abhängig von der jeweiligen Unternehmenskultur. Ist mit einer vorschnellen und verfälschenden Beeinflussung des Ergebnisses durch einzelne Personen (Vorgesetzte, Meinungsführer etc.) zu rechnen, empfiehlt sich zunächst eine anonymisierte und geheime Beurteilung mittels verdeckter Punktbewertung. Handelt es sich um eine offene und direkte Diskussionskultur, genügt die transparente Beurteilung durch jeden Teilnehmer im Plenum.

In beiden Fällen schließt sich eine Interpretation der Ergebnisse an. Im obigen Beispiel spricht die Gewichtung der Bereichsziele in der Produktion für eine zentralisierte Entscheidungsfindung, die Poolung bzw. Zusammenlegung von Sachmitteln und Personal an einem oder ausgewählten Standorten sowie für integrierte, d.h. abgestimmte und standardisierte Prozessstraßen, unter Einsatz spezialisierter Teams. Die damit einher gehenden Abstimmungskosten aufgrund des Einsatzes von Prozessverantwortlichen, regelmäßiger Reportings oder Shopfloor Management im Sinne des Lean Production-Ansatzes werden aufgrund der Bereichsziele in Kauf genommen (hilfreicher Link: „Prozesssteuerung mit Officefloor-Management“).

Anders verhält es sich im Vertriebsbereich. Die Nähe zum Kunden, die Flexibilität und Freiheit in der Beratung sowie der Fokus auf der Akquise erfordern dezentralisierte, schnelle Entscheidungen, unterstützt durch flache Hierarchien mit hoher Leitungsspanne. Die Entkoppelung und verteilte Bereitstellung der Ressourcen, z.B. durch den Einsatz mobiler Endgeräte (Smartphone, Tablet, Mobiler Drucker etc.) sowie das generalistische Know-how der Vertriebsmitarbeiter vor Ort beim Kunden tragen ebenfalls zur Zielerreichung bei. Die Autonomiekosten steigen zwar, fallen jedoch aufgrund der Zielausrichtung weniger stark ins Gewicht als die Abstimmungskosten. Etwaige Ineffizienzen aufgrund verteilter, unkoordinierter Aufgaben können z.B. durch eine duale Organisationsform im Sinne virtueller Teams aus Key Account Managern und Produktmanagern abgefedert werden (lesen Sie hierzu auch meinen Beitrag „Produktmanagement richtig organisieren“).

Von den Bereichszielen zur richtigen Organisationsstruktur!

Organisatoren, die den Erfolg aufbauorganisatorischer Maßnahmen besser und konkreter beurteilen wollen, müssen zwangsläufig den Umweg über die Bereichsorganisation machen. Erst die Konkretisierung der Unternehmensziele auf Bereichsebene stellt den Bezug zwischen der Aufbauorganisation und der Zielerreichung her. Die SMARTe Dokumentation der Ziele fällt dadurch leichter – DIE Argumentationsbasis für das Für und Wider aufbauorganisatorischer Maßnahmen.

Organisatoren: Raus aus den Stäben, rein in die Bereiche!     

Dieser Beitrag ist Teil der Blogparade: http://www.das-unternehmerhandbuch.de/2013/09/05/blogparade-zur-sache-chef/

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