Die Bayer AG und R-A-F – wie passt das zusammen? Oder „Wofür ist Frau Müller verantwortlich?“

Um allen Spekulationen vorzubeugen: Dies ist ein Beitrag über gute Organisationspraxis. Ein Beitrag über den Wandel von einem Stammhauskonzern in eine Management-Holding und die Etablierung eines erfolgreichen Führungskonzepts.

Eine Organisationsstruktur, die drei formale Beziehungslinien umfasst? Wie soll das gehen? Einlinienorganisation kennt jeder, Matrix mag ja noch halbwegs funktionieren, Tensor ist zum Scheitern verurteilt. So meine Urteile vorweg. Als ich jedoch die zfo (Heft 3/2013) in die Hände bekam, musste ich mich eines Besseren belehren lassen. „Insgesamt hat sich eine Dezentralisierung bewährt“, so titelt das Interview zwischen Ludger Becker, Leiter Corporate Organization bei Bayer, und Prof. Gerhard Schewe von der zfo. Ein sehr interessanter und aufschlussreicher Artikel, wie ich finde. Denn der Wandel vom einstigen starren und trägen Stammhauskonzern zu einer agilen und flexiblen Holding-Struktur scheint gelungen. Seit 2002 entwickelte sich der Bayer Konzern zu einer strategisch geführten Management-Holding. Heute beinhaltet die Konzernführungsgesellschaft Bayer AG Corporate Center, die globale Konzernfunktionen verantworten. Das operative Geschäft verteilt sich auf die drei Teilkonzerne Bayer HealthCare, Bayer CropScience und Bayer MaterialScience. Zudem zählen noch weitere Servicegesellschaften zum Konzern.

Folgt man dem Beispiel des Bayer Konzerns, so zieht sich die konsequente Anwendung des AKV-Prinzips, die konsistente Abstimmung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen, wie ein roter Faden durch alle Ebenen der Unternehmensstruktur. Auf der Management-Ebene zeigt sich dies bereits in einer klaren Abgrenzung zwischen strategischen und unternehmerischen Aufgaben. Während die strategische Management-Holding den Konzern auf die Unternehmensziele ausrichtet, die Ressourcen verteilt, das Topmanagement entwickelt und die Finanzen im Auge behält, tragen die Leiter der einzelnen Geschäftsbereiche die Ergebnisverantwortung für die jeweilige Unternehmung. So weit so gut. Das interessante und spannende an dem gelebten Führungsprinzip ist jedoch die strikte Trennung in drei Verantwortungsbereiche: Ressourcenverantwortung (z.B. Personalentwicklung, Budgetzuweisung, Zielfestlegung), administrative Verantwortung (z.B. operative Personalführung, Vertragsmanagement) und Führungsverantwortung (z.B. fachliche Führung) – kurz das R-A-F-Prinzip!

Damit dieses Beziehungsgeflecht nicht in einem Führungs-Chaos endet, unterliegt dieses Mehrlinienprinzip einem überschaubaren Regelwerk, das die Führungsbeziehungen in nachvollziehbare Bahnen lenkt. So gelinge es, dass mehr als 95% aller Führungsbeziehungen in einer Linie verlaufen, d.h., dass ein Mitarbeiter über einen Vorgesetzten geführt wird, der alle drei Verantwortungsbereiche abdeckt, so Becker. Bei rund 110.000 Mitarbeitern eine enorme Leistung. Das Intranet schaffe die notwendige Transparenz über die Führungsbeziehungen, HR-Prozesse und IT-Workflows könnten besser gesteuert und die Flexibilität im Konzern erhöht werden. Das R-A-F-Prinzip wird international durch ein flexibles, virtuelles Rollenmodell ergänzt. „Je nach den Besonderheiten im Land (…) führen [wir] Rollen [Verantwortungen] zusammen oder trennen sie wieder (…)“, so Becker.

Zur einheitlichen strategischen Ausrichtung und Standardisierung trage neben dem klaren Führungsprinzip auch das Community Management bei (siehe Abb. unten). Dabei handelt es sich um Teilkonzern übergreifende Netzwerkstrukturen, die über fachspezifische Committees verteilte Konzernfunktionen einheitlich ausrichten. Das seien keine „Selbsthilfegruppen“, sondern gelebte Führungskultur im Sinne des Gesamtkonzerns. Becker verdeutlicht die Funktionsweise des Community Managements am Beispiel des HR-Commitees. Letzteres ist das Entscheidungsgremium für alle globalen HR-Belange. Es setzt sich zusammen aus Mitarbeitern der unterschiedlichen Konzerngesellschaften und des HR-Topmanagements. Geführt wird das HR-Committee vom global verantwortlichen HR-Leiter. Berichtet wird direkt an den Konzernvorstand. Die Abstimmung und Koordination dieser Netzwerke sei sicherlich nicht immer einfach, werde aber durch die Vorteile der einheitlichen strategischen Ausrichtung, der Standardisierung und des Teilkonzern übergreifenden Austauschs mehr als aufgewogen. Das flexible Führungsprinzip über „zu- und abschaltbare“ (De-)Zentralisierung habe sich bewährt, so Becker. Er beurteilt die Umstrukturierungsmaßnahmen insgesamt sehr positiv.

Das ausführliche Interview finden Sie in der zfo, Heft 3/2013, S. 180ff.

Und vielen Dank Herr Becker, für die Bereitstellung der Folien zum Community Management. 🙂

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