Teil 1: Reorganisation, Personalbemessung, Aufgabenanalyse, Aufgabenkritik, …

… irgendwann trifft‘s jeden einmal! Aber bitte eins nach dem anderen!

Ein überzeugter Organisator schreckt vor nichts zurück. Als ich vor kurzem in einer Trainingsveranstaltung zur Optimierung der Aufbau- und Stellenorganisation mit der Frage konfrontiert wurde, wie man denn bei der Aufgabenkritik vorgehe, war ich gefordert. Aufgabenkritik sollte für Organisatoren kein Fremdwort darstellen, auch wenn diese Methode nicht unbedingt zum Tagesgeschäft eines Organisators zählt. Wenn man danach googelt, erhält man zunächst wenig Konkretes. Dabei sticht das Organisationshandbuch des BMI noch heraus, das der Aufgabenkritik sogar ein eigenes Kapitel widmet. Aber wieso beschäftigt sich gerade das Bundesministerium des Innern mit einem solchen Thema? Institutionen im öffentlichen Sektor sind gemäß § 69 SGB verpflichtet, neben einer Personalbemessung auch regelmäßig eine Aufgabenkritik nachzuweisen. Unterschieden wird dabei zwischen einer sog. Zweckkritik und einer Vollzugskritik. Tatsächlich kann man diesbzgl. noch was von den ‚Öffentlichen‘ lernen! Aber welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit eine Aufgabenkritik auch erfolgreich ein- und umgesetzt werden kann?

Wer einen direkten und realistischen Einblick in ein Personalbemessungsprojekt gewinnen möchte, dem empfehle ich den folgenden Link: Personalbemessung – Tagebuch eines Projekts (Der ganz normale Wahnsinn!)

Parallel dazu werde ich in meinem Blog diese Themen über die kommenden Tage und Wochen verfolgen und mit meinen Ideen und Erfahrungen zum richtigen methodischen Vorgehen anreichern. Los geht’s mit…

Teil 1: Warum eigentlich? Auftragsklärung mit Hilfe der SPAN-Technik

Führungskräfte in die Pflicht nehmen!
Vor den Kick off gehört die Auftragsklärung

Wer mit der Tür ins Haus fällt kann gleich draußen bleiben: Aufgabenkritik ist meist Teil eines umfangreicheren Reorganisationsprojekts (auch wenn es erst einmal gar nicht danach aussieht). Dass der Chef mit der Idee „…mal schnell eine Aufgabenkritik,…“ durchzuführen begeistert von der letzten Tagung zurückkommt, nur „…weil es die Anderen machen…“, ist der falsche Ansatz. Personalbemessungs- bzw. Restrukturierungsprojekte beinhalten oft (verdeckte oder transparente) Anforderungen, bestehende Stellen bzw. Stellenmehrheiten in Bezug auf die Effektivität und Effizienz ihrer Aufgabenerledigung zu prüfen und ggf. zu optimieren. Und Aufgabenkritik ist ein Teil dieses Unterfangens.

All das beginnt hoffentlich mit einer ausführlichen Auftragsklärung zwischen den Auftraggebern und ggf. weiteren zentralen Stakeholdern (Betriebsrat, Organisation etc.), bevor die betroffenen Mitarbeiter damit konfrontiert werden. Ich mache in solchen Projekten oft die Erfahrung (ich will nicht sagen immer 😉 ), dass es Auftraggebern bzw. Führungskräften anfangs schwerfällt, vor den Mitarbeitern klar und deutlich Position zu beziehen. Das ist aber auch verständlich, denn zu Beginn eines solchen Projekts können noch nicht alle Antworten geliefert werden. Alle Antworten parat haben zu wollen wäre unseriös, würde es doch den Eindruck vermitteln, dass die Lösung bereits in der Schublade liegt. Unter solchen Umständen neigen Verantwortliche dazu, die Zuständigkeit an Externe oder Mitarbeiter zu delegieren, die die Überzeugungsarbeit bei den Kollegen leisten sollen, um sich selbst nicht noch weiter aus dem ‚Fenster‘ lehnen zu müssen. Schnell sind dann E-Mails verfasst, Einladungen oder Vorstandsbriefe vorbereitet und Räume gebucht. Gerade das ist jedoch wenig überzeugend.

Diese erste Phase ist entscheidend für den weiteren Projektverlauf und kann gar nicht überbewertet werden. Dabei gibt es pragmatische Hilfsmittel, um sich für die erste offene Mitarbeiterbesprechung bzw. den Kick off-Workshop zu wappnen.

Tipps für den Kick off-Workshop: die SPAN-Technik

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1. Es kommt alles anders und 2. als man denkt!
Montagmorgen, 9.00 Uhr. Sie haben zum Workshop geladen. Die Terminanfrage haben alle Teilnehmer bestätigt. Kaffee ist gekocht, Flip Chart- und Pin-Wände sind vorbereitet. Kann also nichts mehr schief gehen. Die Tür geht auf und die ersten Teilnehmer betreten den Raum… und das Schicksal nimmt seinen Lauf!

Es heißt: „Im Feuer der Improvisation werden die wahren Helden geschmiedet.“ [Herkunft unbekannt]
Die  SPAN-Technik kann schwereren Verbrennungen vorbeugen. Diese Technik macht anhand eines Frage-Antwort-Spiels schrittweise das Motiv und den Nutzen einer anstehenden Veränderung transparent.

S wie Situation darstellen.
Wie ist unser Unternehmen / unser Bereich positioniert? Welchen Herausforderungen ist unsere Branche ausgesetzt? Wie sind wir momentan organisiert? Welche Projekte laufen gerade? Welche Aufgaben nehmen wir wahr, wie sind unsere Kapazitäten verteilt? Wie ist die Erreichbarkeitsquote? …
ZDF – Zahlen, Daten, Fakten müssen auf den Tisch. Es gilt in dieser Phase, die momentane Situation, in der sich ein Unternehmen oder eine Abteilung befindet, transparent zu machen, ohne diese bereits zu würdigen.

P wie Problem beschreiben.
Betrachtet man die Ist-Situation, dann kann uns das nicht zufriedenstellen. Die Flut an Aufgaben und Anfragen muss auch zukünftig in angemessenen Service Levels zu leisten sein. Mit der momentanen Personaldecke, Arbeitsteilung und Qualifikation wird das schwierig. Keine klaren Ansprechpartner, lange Warteschleifen, unzufriedene Kunden.
Die Situation wird analysiert. Aus der Situation wird die Problemstellung abgeleitet, nicht umgekehrt. Die Probleme sollten sich auf den Adressatenkreis beziehen, damit den Betroffenen der Handlungsbedarf klar wird. Spätestens mit dieser Konfrontation wird es emotional!

A wie Auswirkungen erläutern.
Wenn wir unter diesen Bedingungen weiter machen, dann haben wir spätestens in einem Jahr ein massives Problem. Kunden wandern ab, Umsätze brechen weg, das Image wird leiden. Doppelarbeiten führen zu Verschwendungen, Rückfragen nerven, die Motivation ist im Keller. Ein pauschaler Kostenschnitt droht. Outsourcing wird zum Thema werden. Wenn wir nicht handeln, werden wir behandelt.
Was passiert, wenn wir jetzt nicht gegensteuern bzw. handeln? Mit welchen Konsequenzen ist zu rechnen. Insbesondere die Folgen des Nichthandelns werden an dieser Stelle verdeutlicht. Spätestens jetzt hat man die Aufmerksamkeit der Betroffenen.

N wie Nutzen hervorheben.
Wenn wir jetzt handeln, wenn wir uns jetzt gemeinsam und konstruktiv mit unserem Bereich und unseren Aufgaben auseinandersetzen, dann können wir diesen Herausforderungen aktiv begegnen. Sie haben die Chance, Ihre Aufgaben und Prozesse kritisch zu hinterfragen, die Sie ohnehin immer schon ändern wollten. Historisch Gewachsenes auf den Prüfstand, alte Zöpfe abschneiden, Gutes bewahren und Neues wagen.
Der positive Nutzen des Handelns wird erst am Ende dieser Argumentationskette hervorgehoben. Im Fokus dieser Phase steht die Aktivierung und Einbindung der Betroffenen. Den Betroffenen muss zunächst das Warum verdeutlicht werden, bevor der Gestaltungsbereich und das Zielbild als gemeinsame Leitlinie das weitere inhaltliche Vorgehen (wer macht was bis wann?) bestimmen.

Die SPAN-Technik dient explizit der Vorbereitung von Kick off-Veranstaltungen und sollte zunächst im kleinen Kreis der Auftraggeber und Stakeholder erörtert werden. Lücken in der Argumentationskette können entdeckt und rechtzeitig geschlossen werden. Es geht hier nicht um wohl formulierte ‚Schwarzmalerei‘, sondern um die konstruktive Auseinandersetzung mit der (ohnehin) anstehenden Veränderung, um für die erste Welle kritischer und berechtigter Fragen gerüstet zu sein. Und diese Welle kommt, früher oder später!

Übrigens, der findige Leser hat bereits erkannt, dass dieser blog-Beitrag an sich auch nach der SPAN-Technik aufgebaut ist.

Wie halten Sie es mit der Auftragsklärung? Haben Sie ähnliche Erfahrungen gemacht oder sind Sie ganz anderer Meinung? Kommentieren Sie und beteiligen Sie sich an der Diskussion. Bereichern Sie das Netzwerk um Ihre Erfahrungen.

Der 2. Teil dieser Reihe beschäftigt sich dann mit der richtigen Workshop-Gestaltung: Killerphrasen, Totschlagargumente, Vorurteile und wie Sie darauf reagieren.

Wie viele Teile diese Reihe hat?
Lassen Sie sich überraschen. Eins nach dem anderen 😉

3 comments

  1. Wenn die Betroffenen keinerlei oder lediglich eine auf Gerüchten beruhende Ahnung darüber haben wohin das Boot fährt, werden sie nicht einstiegen, sondern lieber vom vermeintlich sicheren Ufer aus zuschauen. Währenddessen steigt das Hochwasser zunächst kaum merklich, aber stetig und unaufhaltsam, und bis die am Ufer stehende Bootsbesatzung merkt, was passiert ist, ist das rettende Boot hinter der nächsten Biegung verschwunden. Die Mannschaft kommt dann bestenfalls noch mit nassen Füßen davon – schlimmstenfalls steht ihr das Wasser bis zum Hals, oder höher. Das Boot ist seinerseits ohne Mannschaft nicht steuerbar und wird mitsamt dem Steuermann möglicherweise kentern. Nicht neu ist die Erkenntnis, dass es darum geht, die Betroffenen frühzeitig „ins Boot zu holen“ und mitzunehmen, nach wie vor von entscheidender Bedeutung ist aber die Frage nach der bestmöglichen Einbindungsmethode – im privatwirtschaftlichen wie auch im öffentlichen Sektor! Zahlreiche Projektleiter kennen das praktische Problem der verpassten Chance zur Einbindung der Beschäftigten durch die verantwortlichen Führungskräfte aus ihren Projekten. Das „theoretische“ Organisationshandbuch des BMI erkennt die Erfolgsrelevanz dieser Frage im Zusammenhang mit der Projektvorbereitung zwar stichwortartig an (Kap. 2. des Handbuchs), behandelt diesen Aspekt neben den „sach-logischen“ Organisationsmethoden und -techniken (Kap. 6 des Handbuchs) jedoch nicht weiter. Bedenkt man, dass der Projekterfolg mindestens genauso stark von der Nutzung „psycho-logischer“ Organisationsmethoden und -techniken bestimmt wird, scheint eine Ergänzung des Organisationshandbuchs des BMI zwingend notwendig. Ein bewährtes Beispiel, das Eingang finden könnte, ist die SPAN-Technik!

    1. Vielen Dank Stephan, für Deinen tollen Kommentar. Manchmal hat man tatsächlich das Gefühl, dass einem als Trainer/Berater das Wasser bis zum Halse steht. Insbesondere in solchen Situationen, wie Du sie beschrieben hast. Während die SPAN-Technik zur Vorbereitung auf solche „Untiefen“ dient, stellt z.B. die sog. Dynamic Facilitation Methode die Einbindung und Aktivierung der Beteiligten in einer (kritischen) Workshop-Situation sicher. Aber dazu mehr in meinem 2. Teil dieser Themen-Reihe. Ich freue mich auch weiterhin auf Deine Kommentare und Praxiserfahrungen…

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